WCAG, reicht das für das europäische Gesetz zur Barrierefreiheit?
WCAG (Web Content Accessibility Guidelines) ist ein internationaler Standard für Barrierefreiheit im Internet, der als solcher sehr bekannt ist und häufig verwendet wird. In Luxemburg werden zahlreiche Barrierefreiheit Überprüfungen auf der Grundlage von WCAG durchgeführt. Reicht dies aus, um die Anforderungen des europäischen Gesetzes zur Barrierefreiheit zu erfüllen? Das möchten wir Ihnen in diesem Artikel näherbringen.Der rechtliche und normative Kontext
In Luxemburg wurde die europäische Richtlinie zur Barrierefreiheit in das Gesetz vom 8. März 2023 umgesetzt. Um die gesetzlichen Anforderungen zu unterstützen, hat die Europäische Union die Erstellung oder Aktualisierung von sechs Normen in Auftrag gegeben, die in den kommenden Monaten in ganz Europa gelten werden. Eine Norm ist viel präziser als ein Gesetz und ermöglicht es, die Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen nachzuweisen. Dies wird als Konformitätsvermutung bezeichnet: Wenn man die geltenden Normen einhält, wird davon ausgegangen, dass man die gesetzlichen Anforderungen erfüllt.
Die Themen, die diese Normen behandeln, sind sehr umfangreich und reichen von der gebauten Umwelt für Selbstbedienungsterminals über nicht-digitale Informationen bis hin zu Support-Dienstleistungen. Eine Norm ist besonders wichtig, wenn es um eine Dienstleistung geht, der in Form einer Website, einer mobilen Anwendung oder eines Selbstbedienungsterminals bereitgestellt wird. Dabei handelt es sich um die Norm EN 301 549 „accessibility requirements for ICT products and services”. Diese Norm besteht seit 2014 und wird bereits europaweit im Rahmen der Richtlinie zur Barrierefreiheit im Internet (umgesetzt im Gesetz vom 28. Mai 2019) für Websites und Apps des öffentlichen Sektors angewendet. Sie liegt derzeit in der Version 3.2.1 vor und wird im 2..Halbjahr 2026 in einer neuen Version aktualisiert, um alle Anforderungen des Europäischen Gesetzes zur Barrierefreiheit zu erfüllen.
Je nach Dienstleistung müssen Sie möglicherweise die Anforderungen mehrerer Normen anwenden. Beispielsweise muss eine E-Commerce-Website, die eine Support-Funktion anbietet, die Norm EN 301 549 sowie die Norm für Support-Dienstleistungen erfüllen.
Wie lässt sich die Barrierefreiheit einer Website oder Webanwendung überprüfen?
Wenn es um Barrierefreiheit im Internet geht, denkt man oft an den internationalen Standard WCAG. Es ist wichtig zu wissen, dass WCAG 2.1 vollständig in die europäische Norm EN 301 549 in Kapitel 9 übernommen wurde.
Diese europäische Norm geht jedoch noch weiter, sodass es nicht ausreicht, nur WCAG zu testen. WCAG gilt als solches nur für Webinhalte und macht 36 % aller in EN 301 549 geltenden Kriterien aus.
Für Nicht-Webinhalte (z. B. PDF, Word, Excel usw.) gilt Kapitel 10 der Norm, das auf WCAG2ICT basiert, einer Anpassung von WCAG für Nicht-Web-Software und -Dokumente. Dieser Teil macht 33 % der Kriterien der EN 301 549 aus, die für Websites gelten.
Andere Kriterien, die in der europäischen Norm enthalten sind, existieren in der WCAG-Welt überhaupt nicht und müssen ebenfalls getestet werden, wenn sie anwendbar sind. Sie machen 31 % der für eine Website geltenden Kriterien aus.
- Bei Videoplayern muss das Aktivieren von Untertiteln oder Audiodeskriptionen genauso einfach sein wie das Anhalten des Videos (Kriterium 7.3).
- Wenn Ihre Website ein öffentlich zugängliches Bearbeitungstool anbietet, z. B. einen Kommentarbereich mit einem Rich-Text-Editor, muss dieses Bearbeitungstool die Erstellung barrierefreier Inhalte ermöglichen (Kriterium 11.8).
- Wenn Sie über ein Login- oder elektronisches Signatursystem verfügen, das eine biometrische Authentifizierung verwendet, muss eine Alternative vorhanden sein, die nicht auf einer biometrischen Authentifizierung basiert ( ) oder auf einem anderen biometrischen Merkmal basiert (Kriterium 5.3).
Dies sind nur einige Beispiele für Nicht-WCAG-Kriterien, die Teil der europäischen Norm sind. Weitere Informationen finden Sie in der Norm.
In Tabelle A.1 der Version 3.2.1 der Norm finden Sie die Kriterien, die für eine Website oder eine Webanwendung gelten. Die nächste Version der Norm wird im Anhang genauere Entsprechungstabellen zu den Anforderungen der europäischen Richtlinie zur Barrierefreiheit enthalten.
Wenn Sie die Barrierefreiheit Ihrer Website nur anhand der WCAG bewerten, testen Sie nur etwa ein Drittel der geltenden Kriterien der europäischen Norm, was nicht ausreicht, um die Anforderungen der europäischen Richtlinie zur Barrierefreiheit zu erfüllen.
Wie lässt sich die Barrierefreiheit einer mobilen Anwendung überprüfen?
Die WCAG gelten nur für Webinhalte. Es wird daher nicht empfohlen, eine mobile Anwendung hinsichtlich der WCAG auf Konformität zu prüfen.
Apps unterliegen den „Software”-Kriterien in Kapitel 11 der Norm, die auf WCAG2ICT basieren und 27 % der für mobile Apps geltenden Kriterien ausmachen.
Wenn Ihre App Nicht-Web-Dokumente enthält, gelten die Kriterien aus Kapitel 10, die ebenfalls auf WCAG2ICT basieren und 28 % aller für mobile Anwendungen geltenden Kriterien ausmachen.
Schließlich machen die nativen Kriterien der Norm 45 % der für mobile Anwendungen geltenden Kriterien aus.
Die für eine mobile Anwendung geltenden Kriterien finden Sie in Tabelle A.2 der Version 3.2.1 der Norm.
Wie lässt sich die Barrierefreiheit einer Website oder einer mobilen Anwendung konkret bewerten?
Die luxemburgische Regierung bietet seit 2020 Referenzrahmen für Barrierefreiheit an, die auf der Website accessibilite.public.lu verfügbar sind. Diese Referenzrahmen bieten eine Testmethode und einen operativen Rahmen, um die Barrierefreiheit einer Website, einer mobilen Anwendung oder eines PDF-Dokuments effektiv zu testen. Sie sind auf Französisch und Englisch verfügbar. Die Einhaltung dieser Referenzrahmen ist nicht verpflichtend, sie stellen lediglich ein zusätzliches Instrument zur Bewertung der Barrierefreiheit dar.
Zusammenfassung
Das Testen einer Website auf der Grundlage der WCAG reicht nicht aus, um alle Anforderungen der europäischen Richtlinie zur Barrierefreiheit zu erfüllen. Wir empfehlen Ihnen daher, Ihre Audits auf der Grundlage der Norm EN 301 549 durchzuführen.
Diese Norm wird im Laufe des Jahres 2026 aktualisiert. Verfolgen Sie unsere Nachrichten, um über die Veröffentlichung informiert zu werden.
Weitere Informationen
- Präsentation „Practical Tests for Assessing Accessibility” (auf Englisch) von OSAPS auf der Konferenz NL Design Systems Week 2025.
- Präsentation „Entmystifizieren wir die europäische Norm zur Barrierefreiheit” (auf Französisch) des SIP auf der Konferenz VoxxedDays Luxembourg 2025.
Zum letzten Mal aktualisiert am